Kurz vor dem Abschluss der Arbeiten ist Sonja Peltzer-Montfort im Alter von nur 55 Jahren in Groß Twülpstedt plötzlich verstorben. Es ist überhaupt kein Trost; dennoch werden die Räbker und Räbkerinnen, die sie kannten, dieses Grundstück ab sofort mit ihrem Namen und ihrer Lebensleistung hier bei uns verbinden.
Das Haus an der Hauptstraße 24 in Räbke, direkt gegenüber der Kirche auf der anderen Seite der Schunter, hat nicht erst seit dem Todestag von Sonja am 18. September einen anderen Klang und neuen Wesensgehalt.
Es hat sich eine Menge getan, seitdem im Jahr 2019 Sonja, ihre Familie, die Handwerker und Unterstützer aus Räbke auf dem ehemaligen Brennecke-Besitz, der über fünf Jahrzehnte brach lag, zu werkeln begannen.
Als einer der Ersten im Dorf lernte ich Sonja am 18. Februar 2020 kennen. Es war der Tag, an dem auf dem Räbker Friedhof nach längerer und intensiver Diskussion eine kurze Allee Nadelhölzer unter der fachkundigen Führung von Thomas Jensen gefällt wurde.
In einem kurzen E-Mail-Verkehr hatten sich Sonja, Heidi Fengel und ich auf ihrem Grundstück verabredet. Wir gingen in das Gebäude, und Sonja zeigte und erklärte uns ihre Ideen und Vorhaben in und mit dieser „Ruine“, die die meisten Einheimischen gar nicht mehr als ortsübliche Liegenschaft in ihrem Gedächtnis abgespeichert hatten. Dies sollte sich von nun an und von Grund auf ändern.
Auch das Persönliche und Private kam nicht zu kurz. Sie erzählte uns von ihrer Familie, ihrem Mann Oliver, den vier Kindern, ihrer Leidenschaft, sich alten Häusern zu widmen, ihrem beruflichen Schaffen bei der EU-Kommission in Brüssel und vor allen Dingen, ihrem Einsatz in der IgB e. V. (Interessengemeinschaft Bauernhaus), in der sie bundesweit ehrenamtlich als Schriftführerin tätig war.
Ohne viele Wenns und Aber packte sie an – im wahrsten Sinne des Wortes auch praktisch – und machte gleich in unserer dorfeigenen Arbeitsgemeinschaft Blühendes Dorf (AG BLÜH) mit. Unvorstellbar für uns Altmitglieder, bei all ihrer Regiearbeit mit Handwerkern und Co. auf der Großbaustelle an der Hauptstraße. Wir wussten allerdings, dass sie vergleichbare Projekte in Groß Twülpstedt und Bornum mit Bravour gemeistert hatte und ein weiterer Kaufabschluss in Helmstedt bevorstand.
Wir waren gerade mit dem Frühjahrsschnitt an einigen Obstbäumen auf der neu angelegten Streuobstwiese (StrOb) im Sommerwinkel beschäftigt. Hier in der Natur entstanden die ersten engeren individuellen Kontakte zum Dorf, zum Beispiel zu Swantje Jensen, die dann in den weiteren Monaten gemeinsam mit Heidi Fengel den Draht untereinander durch praktische Mithilfe am Bau weiter glühen ließ.
Ja, es ist ein überragendes Ziel von Dorfentwicklung, die „Neuen“ mehr oder weniger umfassend an das Dorf zu gewöhnen und umgekehrt. Als einen glücklichen Umstand kann man bewerten, dass fast zeitgleich Dr. Isabell Pott, Geschäftsführerin der SchlaraffenLand GmbH, in der Schunterquelle und in den Elmstuben heimisch wurde und zu unserem selbst ernannten Entwicklungs-Team dazu stieß.
Politisch, aber bitte!
Es kann kaum verwundern, dass eine Frau wie Sonja sich auch im Sinne der Urbedeutung des Wortes politisch engagierte, ja engagieren musste. Ehrenamt ist immer eine Liebeserklärung an die Gemeinschaft. Sie war sofort als Gesprächsteilnehmerin dabei, als wir in der Mühle Liesebach unseren MdB Falko Mohrs zu Gast hatten. Ein Rundgang auf ihrem Grundstück durfte nicht fehlen, ebenso ein Vortrag über die Bedeutung der so genannten Grauen Energie und über einen Änderungsantrag zum Denkmalschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen, der ihr überhaupt nicht behagte.
Räbke ist ein stolzes Dorf, nicht erst seit der Teilnahme am Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ 2017/2019. Es bestehen lebendige Kontakte und Netzwerke in viele Richtungen. Diesmal kam der Wink des Schicksals aus meiner Schulzeit in Helmstedt. Karl-Heinz Broska, Chef des Ortskuratoriums Helmstedt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, hat mit mir eine gewisse, übersichtliche Zeit die Schulbank in Helmstedt gedrückt und den Sportplatz bevölkert: er Sprinter, ich Handballer. Es lag nahe, ihm in seiner Funktion Sonja und Heidi (als Denkmalpflegerin) ans Herz zu legen und so die Damen an alte Bausubstanz in der Region zu binden. Beide arbeiteten sofort im Kuratorium mit, und Horst Eberhard, ebenfalls ein zugezogener Neu-Räbker begleitete die neu formierte Gruppe von da an elektronisch und digital.
Der Traum, eine Jugendbauhütte (JBH) nach dem Vorbild der Weltkulturerbestadt Quedlinburg nach Helmstedt und Ostfalen zu holen und mit jungen Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) Denkmalpflege zu betreiben, wurde am 1. September diesen Jahres zur Realität. 6 junge Damen stellten sich in Diana Ruh bei Bornum am 2. September in Verbindung mit einer kleinen, aber feinen Outdoor-Veranstaltung vor und starteten mit ihren Aufgaben an Scheepers Haus in Königslutter. Man braucht nur einmal zu vermuten, wer auch bei diesem Projekt Verantwortung übernahm.
In Diana Ruh sah ich Sonja zum letzten Mal – mehr oder weniger von Weitem. Sie war einmal mehr in ihre Aufgaben mit jungen Menschen eingetaucht. Zu einem Hausseminar vom 27. September bis 1. Oktober 2021, das sie in der Mühle Liesebach organisiert hatte, kam es leider nicht mehr.
Kurz davor jedoch, ging es an der Hauptstraße 24 noch einmal richtig ab. Ab Beginn der Bautätigkeiten in Räbke hatte sie vor, dem Dorf ihr Grundstück mit Inhalt zu präsentieren und die Türen für die Einheimischen weit zu öffnen. So geschah es dann am 10. September 2021 mit Kaffee und Kuchen.
Und natürlich gab es bei der Veranstaltung genügend Räbker, die sie und ihre Familie am Termin und davor durch Verteilen von Flyern, Kaffeekochen und Führungen unterstützt haben. Sonja und die Familie haben es geschätzt, wie die folgende E-Mail, die am 13. September in meinem Rechner landete, beweist.
Liebe Räbker,
das war ja ein wundervoller Erfolg: 81 Menschen, darunter viele, viele Räbker, haben sich auf der Anwesenheitsliste eingetragen. Mit so viel Interesse hatten wir nicht gerechnet: das war wunderbar und hat großen Spaß gemacht, den vielen Interessierten ihre Fragen zu beantworten.
Euch allerherzlichsten Dank für all die Unterstützung, von Briefkästen abklappern über Kaffee kochen bis Hausführungen geben !!! Was für ein fabelhaftes Dorf!
Herzlichst, Sonja & Oliver
E-Mail von Sonja an Heidi, Laurenz und mich
So war sie: offen, ehrlich, den Menschen zugewandt, einnehmend und voller Empathie. Ihr Andenken lebt fort in unseren Herzen, aber auch in ihrem Haus an der Hauptstraße, das uns immer an Sonja erinnern wird.
Dafür stehen ganz sicher auch die Mieter ein, die zum 1. Dezember 2021 in die 24 einziehen werden.
Wir sagen Danke, dass wir sie in ihrem viel zu kurzen Leben ein Stück des Weges begleiten durften.
CL 2021-11-21