Papier und Öl sind mehr als man denkt

Zu begutachten in Wietze und Lachendorf im Landkreis Celle

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass in der Mühle Liesebach ein nächstes größeres Projekt ins Auge gefasst wurde; die Helmstedter Nachrichten und der Helmstedter Sonntag berichteten darüber.

Das Ehrenamtsteam der Mühle hat die vergangenen Wochen ab Herbst/Winter 2022 schon kräftig Hand an Holz und andere Grundmaterialien gelegt und nötige Vorbereitungen dafür getroffen. Auch eine Änderung der baulichen Planung aufgrund von Sicherheitsüberlegungen brachte die Männer nur kurz durcheinander. Andere Ideen der Umsetzung schossen aus den Köpfen sofort in die Realität und werden ab sofort Zug um Zug in die Tat umgesetzt.

Papierknappheit um 1600
Es bleibt dabei: Die ehemalige „Nur-Getreidemühle“ Liesebach erhält eine Papier-Abteilung, die sich ganz der Papierproduktion aus Lumpen und deren Geschichte im 7-Mühlen-Dorf Räbke widmet. Immerhin gab es ab 1594 beginnend im Laufe der Jahrhunderte 3 (oder sogar 4) Papiermühlen, die für deren Besitzer wirtschaftlich interessant waren und den Braunschweig-Lüneburgern Herzögen sowie der gerade gegründeten Helmstedter Universität das so dringend benötigte Papier lieferten. Denn der Schub die Nachfrage nach bedruck- und beschreibbaren Materialien als eine der Folgen von Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche war riesig. Nicht nur der Buchdruck mit beweglichen Bleilettern – als Schwarze Kunst bezeichnet – boomte, auch die Papierherstellung (aus Lumpen) – die Weiße Kunst – zog nach.

Vom Erdöl zu Lumpen – Eine Exkursion
Dieses Alleinstellungsmerkmal für das Dorf Räbke wird nun in der Mühle Liesebach  auf einem museal aufzubereitenden Papierboden „bearbeitet“ und für die Allgemeinheit entwickelt.

Diesem Gedanken folgend, machte sich am 14. März ein Quartett aus Mitgliedschaft und Vorstand (Klaus Röhr, Ursula Rosen, Gabi Schröder, Christian Lubkowitz) auf den Weg, um Erfahrungen und theoretische Grundlagen für den Papier-Auftrag zu sammeln.

Noch ist die Ausstellungshalle leer.
Museumsleiter Dr. Stephan A. Lütgert (l.)

Der Weg führte zunächst über Celle nach Wietze in das Deutsche Erdölmuseum (www.erdoelmuseum.de), das von Dr. Stephan A. Lütgert geleitet wird. Der Besuch war ein Glücksfall an sich, denn der Museumschef bereitet sein Haus und sein Außengelände gerade auf die im Mai 2023 zu eröffnende neue Dauerausstellung vor.

Er führte den Räbker Trupp also in die schematischen und kreativen Gedankengänge ein, die er für „seine“ Ausstellung mit seiner Agentur hinter sich hat. Nämlich vom variablen Beleuchtungskonzept in der noch leeren Ausstellungshalle, über digitale 3D-Aniamtionen, über die Rundgang-Führung bis zur Spielecke für Kinder. Dazwischen findet eine Menge Museum statt, was es zu erläutern galt.

Fast 3 Stunden Gedankenaustausch mit einem Museums- und Ausstellungsprofi haben das Papier-Quartett einen großen Schritt weiter gebracht, wie man die selbst gestellte Aufgabe modulartig Schritt für Schritt zu einer Gesamtschau bringt, die das System „Wasserkraft-Stampfwerk-Papierschöpfen-Endprodukt“ für möglich viele Zielgruppen erlebbar macht, ohne die dazugehörige Geschichte und die spannenden Geschichtchen dahinter zu vergessen.

Der Vorsitzende brachte die Dankbarkeit der Teilnehmenden nicht nur in Worten zum Ausdruck, sondern überreichte passend zum Ort ein Öl-Geschenk, das zur Produktion kein Ausgangsgestein o. ä. benötigt, sondern lediglich den Anbauer und die Pflanze: kalt gepresstes Rapsöl und einen Sonderdruck zur Papierherstellung in Räbke nebst Wasserzeichen.

An die Lachte und nach Lachendorf
Sauberes Wasser ist Pflicht bei der Papierherstellung aus Lumpen. Egal, ob aus der Schunter oder aus der Lachte. Und so kam es in Lachendorf bereits im Jahre 1538 eine ganze Ecke früher als in Räbke zur Gründung einer wasserangetriebenen Papiermühle unter einem der welfischen Vorgänger des Herzog Julius, nämlich unter Ernst dem Bekenner.

Der Start im Haus der Papiergeschichte in lockerer Runde

Also steuerte der Papier-Trupp nach einer kurzen Verschnaufpause in Winsen/Aller den nächsten POI (Point of Interest), das Haus der Papiergeschichte, in Lachendorf an. Der dazugehörige Verein wurde 2006 gegründet, in Anlehnung und mit starker Unterstützung der zweitältesten Papierfabrik in Deutschland, der Firma DREWSEN. Mit fast 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist das innovative Unternehmen nicht nur ökonomisch eine Hausnummer in der Samtgemeinde Lachendorf und in der Region.

Mit Gunst von wegens Handwerk!
Thomas Kottonau, Vorsitzender des Vereins Lachendorfer Papiergeschichte e. V., selber in der Papierfabrik beschäftigt, begrüßte die Wissbegierigen Nord-Elmer und leitete mit präzisen Erklärungen zu den vielfältigen Exponaten und den Hintergründen dazu durch die Ausstellungsräume.

Papierherstellung ist bunt

Das eigene bereits vorhandene Basiswissen über die Papierherstellung – auch in der heutigen Zeit – machte einen mächtigen Sprung nach vorn. Vom Wasserzeichen bis zum humorvollen Papiermacher-Lied mit den historischen Bezügen und dem Wissen aus der Praxis des Vorsitzenden war alles dabei, was vorher in dieser Art und Weise für die Besucher nicht vorstellbar war.

Völlig überraschend überreichte Thomas Kottonau den Papiermacherinnen als Geschenk eine mit Holzrahmen gefertigte Original-Aufhängung zum Trocknen des geschöpften Papiers und einen Schöpfrahmen aus alter Zeit. Und wie selbstverständlich einen Satz Papier aus der Firma. Die übergroße Freude bei den Damen war nicht zu verheimlichen. Völlig zurecht!

Das vom Vorsitzenden als Präsent überreichte Rapsöl soll deshalb doppelt bis dreifach munden und noch bekömmlicher als üblich sein.

Die Papiermühle in Niederzwönitz in Sachsen soll das nächste Lernobjekt sein.

PS: Zufälle bestimmen nicht selten das Leben der wandernden Mühleninteressierten. In Lachendorf war auch Hans-Bernhard Wolters vorort, ehemals Instandsetzer beim Panzergrenadierbataillon 23 in Braunschweig. Den neuerlichen Kontakt nach über 40 Jahren stellte Instagram her. Zusammengeführt durch die gemeinsame braunschweigisch-herzogliche Papiergeschichte und Ernst den Bekenner.

CL/03-23